Pionierarbeit auf einem unbeackerten Feld der Genealogie

Umpferstedts Ortschronist Axel Marx hat die Wege der Schäferfamilien im Weimarer Land fast 500 Jahre zurück verfolgt. In Axel Marx‘ 500 Seiten umfassendem Werk stecken 15 Jahre Recherchearbeit. Foto: Sabine Brandt

Umpferstedt. Blut floss am Tag vor Heiligabend auf einem Feld bei Oßmannstedt. Am 23. Dezember im Jahre des Herrn 1647 wurde Hans Wilhelm von Harass, Sohn des Oßmannstedter Rittergutsgeschlechts, mit einer Kugel aus seiner eigenen Pistole niedergestreckt. Wenige Stunden danach war er tot. Haarklein ist das Verbrechen im Oßmannstedter Kirchenbuch festgehalten. Axel Marx hat den Bericht bei seinen Recherchen in den alten Dokumenten entdeckt.

Der Ortschronist von Umpferstedt hat mittlerweile dafür gesorgt, dass die Erinnerung an das Schreckensereignis so schnell nicht verblassen wird. Die Geschichte hat Aufnahme gefunden in sein neuestes Werk: „Schäfer und Hirten im Weimarer Land von der Mitte des 16. bis ins 19. Jahrhundert“.

Das schwere Buch, das in der wissenschaftlichen Schriftenreihe der Stiftung Stoye erschienen ist, darf als Pionierleistung auf dem Gebiet der Genealogie betrachtet werden. Noch nie hat ein auf diesem Gebiet bewanderter Forscher sich des am schwersten fassbaren Teils der Landbevölkerung angenommen: der Schäfer und wandernden Hirten.

Auf ihre Arbeit angewiesen war jedes Dorf. Nur engeren Kontakt zu ihnen halten mochte kaum jemand. Hirten waren Außenseiter, „unterste soziale Schicht“, sagt Axel Marx: „Ein wanderndes Volk ohne festen Wohnsitz“.

Die häufigen Ortswechsel machten es bislang fast unmöglich, die Wege der Hütleute und ihrer Familien nachzuvollziehen. Marx ist einer der ersten, die dieses Dunkelfeld beleuchtet – wenn nicht gar der Erste.

Fünfzehn Jahre Arbeit stecken in seinem Buch, das in der „Schriftenreihe der Stiftung Stoye“ erschienen ist. Auf mehr als 500 Seiten bildet es die Genealogie von knapp 2500 Hirtenfamilien ab, die im Laufe der untersuchten Jahrhunderte zwischen Weimar und Apolda ihre Dienste anboten. Bei weiteren 28 Männern und Frauen gaben die Quellen allenfalls die Rufnamen preis. Axel Marx hat sie dennoch in seine Sammlung aufgenommen.

Der Beruf brachte es mit sich, dass sich Schäfer nicht nur mit den Krankheiten ihrer Tiere auskannten, sondern auch mit menschlichen Gebrechen. Sie waren Heilkundige und Meteorologen, seien aber meist auf Distanz gehalten worden. Die häufigen Eheschließungen unter Hirten unterstreicht diese Position. „Die kleinen Leute“, sagt Axel Marx, „haben es mir angetan.“ In seinem Fall kommt diese Nähe nicht von ungefähr: Auch Marxens Familie blickt zurück auf viele Generationen, die ihr Brot mit der Schäferei verdienten.

Ein großer Teil der Namen, die der Chronist zusammengetragen hat, kommen heute noch in den Dörfern rund um Weimar vor: Bauchspieß, Christiani, Eilenstein, Liebeskind, Schachtschabel – in allen denkbaren Schreibweisen. Nicht zu vergessen: die zahlreichen Zaubitzer, Zaubitzscher oder Zautzer. Und eben die Marxens.

Mit der Recherche nach den Angehörigen der eigenen Sippe fing für den Autor alles an. Als er begann, die Spuren seiner Vorfahren aufzunehmen, stellte Axel Marx fest, dass sich die Linien der Hirten 350 Jahre zurückverfolgen lassen. „Der letzte mir bekannte Schäfer Marx übte seinen Beruf bis 1989 aus“, so der Autor.

Sabine Brandt / 03.09.16 / TA

Thüringer Allgemeine & Thüringer Landeszeitung vom 03.09.2016

Z0R0119287536

Aus der Presse: Schäferfamilien im Weimarer Land

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